My health - Referentenvorschau

Sie wollen leben und steuern die Welt vom Gehirn aus

Locked-In bedeutet Eingeschlossen-sein. Die Verbindung zwischen Bewusstsein und Körper ist gekappt, der Körper wird zum Gefängnis. Der Wille zu Leben bleibt, Berührung und Begegnung werden zum Elixier. Prof. Niels Birbaumer berichtet am 12. November 2022 in Zürich, was wir von Locked-In Patienten lernen können ...

«Locked-In» bezeichnet einen Zustand der (fast) vollständigen Körperlähmung bei vollem Bewusstsein. Für die Kommunikation mit der Aussenwelt bleiben die Augenmuskeln oder eine Gehirn-Computer-Schnittstelle. Bei dieser Vorstellung fragt man sich unwillkürlich, ob sich das Weiterleben so noch lohnt? Niels Birbaumers Antwort nach 40 Jahren Erfahrung mit Locked-In PatientInnen lautet: «Ja! Bisher wollte keiner sterben».

Am Anfang steht – bei funktionierenden Augenmuskeln – das Computer assistierte Buchstabieren mit den Augen. Mühsam, aber nach ein paar Woche Training liest der Computer dem Patienten sozusagen die Gedanken und Wünsche von den Augen ab. Bei vollkommen gelähmten Menschen ermöglicht die Brain-Computer-Interface** (BCI) Technologie eine eingeschränkte Ja-Nein-Kommunikation mit der Aussenwelt. Während der letzten Jahre konnte Niels Birbaumer erstaunliche Erfahrungen und Einsichten sammeln, die auch für gesunde Menschen von Bedeutung sind:

  1. Die Lebensqualität ist bei komplett gelähmten Menschen gut bis sehr gut, sofern sie von der Familie oder in einem engen, positiven, sozialen Kontakt von Freunden und Pflegern liebevoll betreut werden.
  2. Da diese Menschen oft an klarer Sehfähigkeit einbüssen, tritt die Bedeutung des spontanen Denkens und der positiven sozialen Begegnung und Berührung in den Vordergrund – auch wenn diese immer seltener erfolgen.
  3. Physiologisch und psychologisch ist dieser Locked-In-Zustand den erweiterten Bewusstseinszuständen, wie sie bei erfahrenen Meditations-Praktizierenden auftreten, vermutlich nicht unähnlich. Die zunehmende «Stille» – bedingt durch die Abnahme von Sinneseindrücken und die Unmöglichkeit der Bewegung – nimmt nach anfänglich katastrophalen psychischen Zuständen sukzessive ab und macht bei guter Einbettung in einen engen Kreis von Vertrauten einer erstaunlich positiven inneren Ausgeglichenheit und gedanklicher Offenheit Platz.

Fazit: Was macht das Leben lebenswert? Die Antwort der Eingeschlossenen: «Liebevolle zwischenmenschliche Kontakte, spontanes offenes Denken, innere Stille und Gelassenheit». Mehr dazu von Prof. Niels Birbaumer am 12. November 2022 am My health Kongress in Zürich.

Teilnahme

Der My health Kongress - vom Stress zur inneren Stille findet in Zürich im Kongresshaus sowie als Stream online statt. Die Teilnahme kostet CHF 280 | EUR 250.

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Direkt zur Anmeldung

Das Interview führte Christian Larsen, Arzt, Autor und Mitbegründer der Spiraldynamik®
September 2022

** Voraussetzung für die Kommunikation mit vollständig Gelähmten ist – neben der sozialen Einbettung – das technologische Funktionieren des BCI’s, wobei bisher nur invasive, also in das Gehirn implantierte BCI’s eine flüssige Kommunikation ermöglichen, während nicht-invasive BCI’s (Haut-Elektroden) zur Zeit nur eine Ja-Nein Kommunikation erlauben.